Mittwoch, 19. Februar 2014

Indien pur


Wie schnell sich Reisepläne ändern können... 
Nachdem wir von den Andamanen nach Kalkutta geflogen sind und dort einige Stunden die Stadt erkundet haben, wollten wir für ein paar Tage nach Varanasi, um dann Richtung Norden das Land zu verlassen und zwei Wochen lang durch Nepal zu reisen, bevor unser Flug am 22.02 von Kathmandu nach Manila auf die Philippinen geht.
Weil wir aber nach unserer Nacht im Zug ohne Reisepässe in Varanasi ankommen, müssen wir umplanen. 

Neue Pässe können wir nur in Delhi auf der Deutschen Botschaft beantragen. Da wir aber trotz allem noch Varanasi sehen wollen und die Behörden am Wochenende ja eh nicht arbeiten, bleiben wir 4 Tage in der Stadt und fahren am Sonntag zurück nach Delhi. 

So erleben wir in unseren letzten Tagen im Land noch einmal Indien pur: 
Kalkutta, Varanasi, Delhi - Dreck, Menschen, Leben.
Anders als zum Beginn unserer Reise, als wir schon mit Delhis Bazar überfordert waren, können wir die Städte jetzt richtig genießen und lieben es, uns einfach treiben zu lassen...



KALKUTTA

Wir landen morgens gegen elf und haben ein Zugticket für halb zehn abends... genug Zeit, sich ein wenig umzuschauen. Wir erfragen den Weg zum Busbahnhof und freuen uns schon, denn Busfahren ist in Indien keine langweilige Sache. Schon das Finden des richtigen Busses ist eine Herausforderung: Zwar steht auf der Vorderseite irgendwo drauf, wohin er fährt, aber weil das ganze Teil - wie alles in Indien - über und über bunt angemalt ist, sind auch so wichtige Dinge wie das Fahrtziel mit rosa Schnörkelschrift zwischen allerlei Blumenranken nur schwer zu erkennen. Es kann auch helfen, auf die "Ansagen" der Busmänner zu hören, die die Endhaltestelle des Busses ausrufen. Um sie zu verstehen, braucht man aber manchmal länger, als der Bus stehenbleibt, denn das tut er nicht lange und aus einem eigentlich leichtverständlichen Ziel wie "Bus Station" wird in indischer Zugmanngeheimsprache schnell mal "BUSTAINBUSTAINBUSTAIN"... zum Glück gibts aber überall freundliche Einheimische, die sich als Hyroglyphen-Entzifferer oder Übersetzer anbieten. Hat man seinen Bus dann erspäht, muss man auf sich aufmerksam machen, sodass er anhält und gleichzeitig darauf achten, nicht unter die Räder zu kommen, denn er fährt dann ja auf einen zu... Drin gibts meistens keine freien Sitzplätze, dafür aber laute indische Musik und viele neugierige Blicke. Geht es dann los, muss man weniger sich selbst festhalten, als vielmehr seine Habseligkeiten, denn oft sind so viele Passagiere im Bus, dass man sowieso nicht umfallen kann. Während der Fahrt quetscht sich dann irgendwann der Busmann durch die Menge, dabei handelt es sich fast immer um besonders kleine und dünne Herren, und verlangt von jedem Fahrgast ein paar Rupien. Im Stehen sieht man leider nicht so viel von der Stadt, weil die Busfenster auf Brusthöhe aufhören, von denen sollte man sich aber sowieso tunlichst fernhalten und erst recht keine Gliedmaßen nach draußen strecken, wie wir im Stadtverkehr schnell merken. Ständig kollidieren nämlich irgendwelche Busse miteinander - die Beulen und Schrammen an den Dingern müssen ja irgendwoher kommen - und brauchen dann ewig, bis sie aneinander vorbei geschrappt sind und sich wieder aus der verkeilten Situation befreit haben. In Indien gibt es auch nicht viele richtigen Bushaltestellen, die Passanten winken den Bus einfach an den Straßenrand und steigen durch die immer offene Bustüre ein. Um uns busfahrende Ausländer wird sich immer sehr lieb gekümmert, sowohl Fahrgäste, als auch Busmann und -fahrer teilen uns gerne und oft mit, wo wir gerade sind und wie lange es noch bis zu unserer Haltestelle geht (meist "five minutes").







Wir entdecken in der Nähe des Bahnhofs einen Blumenmarkt, von dem wir uns mehrere Minuten lang nicht losreißen können.














Und im wohl dreckigsten und staubigsten Botanischen Garten unseres Lebens sind wir die Hauptattraktion für die indischen Jugendlichen, die sich hier grüppchenweise treffen und ab und zu pärchenweise in den Büschen verschwinden. Wir sind hier, um den angepriesenen größten Banyan-Baum der Welt anzugucken und sind dann recht erstaunt und beeindruckt, als wir vor bzw. IN ihm stehen.


Zweimal hinschauen! Das alles ist wirklich nur EIN Baum


VARANASI

- die älteste, heiligste und dreckigste Stadt Indiens ist auch die, vor der der Tourist am meisten gewarnt wird, weil hier die Schlepper und Halunken noch hartnäckiger und gewiefter sind, als anderswo - und sie ist auch die Stadt, in der wir unsere Pässe verloren haben. 

Wir treffen hier aber nur auf total liebens- und vertrauenswürdige Menschen und können trotz Passverlust und entsprechendem Stress unsere Zeit genießen.

Varanasi liegt am heiligen Ganges und zieht unglaublich viele hinduistische Gläubige an, wodurch sie erfüllt ist von Leben, Dreck, Lärm und Müll. Trotzdem - oder gerade deshalb - ist sie für die schönste, intensivste und beeindruckendste Stadt Indiens. 
Unsere Unterkunft liegt nur wenige Schritte von den "Burning Ghats" entfernt, dem Platz am Ganges, an dem 24 Stunden am Tag Tote verbrannt werden - für Hindus gibt es keinen "besseren" Platz, aus dem Leben zu scheiden, als hier in Varanasi, deshalb kommen auch viele alte und kranke Menschen hierher, um auf den Tod zu warten. In jeder Ecke stehen riesengroße Holzstapel, die für die Feuer am Flussufer benötigt werden. Die Toten, in glitzernde Tücher gehüllt, werden von ihren Angehörigen mit Sprechgesängen dorthin getragen und man begegnet diesen Kolonnen überall im Gassengewirr.





Blick vom Dachrestaurant unseres Guesthouses :)


Vor allem die Stimmung in den Gässchen hat es uns angetan. Wer sich in diesem Labyrinth nicht verläuft, ist selber Schuld, denn es gibt einfach unglaublich viel zu entdecken. Deshalb lassen wir uns meistens stundenlang im Gewirr treiben, entscheiden an jeder Kreuzung neu, ob wir uns lieber rechts oder links halten wollen, bis wir wieder durch Zufall an einer uns bekannten Ecke herauskommen und von dort wieder heim finden. 




Die Gassen sind so klein und eng, das nur Zweiraeder durchpassen und werden meistens von diesen, von einer der Kühe oder von beidem verstopft. Überall befinden sich kleine vollgestellte Lädelchen, manchmal bestehen sie nur aus zwei Fensterläden auf Bodenhöhe und einem Kissen, auf dem es sich der Besitzer gemütlich gemacht hat und von seinem Platz aus an alle Waren in seinem 1x1x1m großen Laden herankommt. 
Außerdem gibt es verschiedenste Essensstände, die von süßem und salzigem Frittiertem, über Obst und kleine Kartoffelgerichte mit allerlei Soßen, bis hin zu Lassi (das beste Getränk Indiens - eine Art Trinkjoghurt) alles anbieten. Und so spazieren wir den ganzen Tag vor uns hin, essen meist an den Ständen, unterhalten uns mit den liebenswerten Verkäufern, lernen viele interessante Menschen kennen, beobachten den Trubel und lassen uns überraschen, was hinter der nächsten Ecke auf uns wartet. 
















Obwohl wir hier in Varanasi die abgemagertsten und verwahrlosesten Welpen unserer ganzen Reise gesehen haben, finden wir auch immer wieder Menschen, die sich liebevoll um ganze Banden von runden Moppelchen kümmern. Mit diesem "Laundry-man", der seinen Lebensunterhalt mit Bügeln verdient, sprechen wir lange über sein Leben, die Stadt und die sieben wohlgenährten Welpen, die er mit größter Sorgfalt aufzieht.













unser Stammstaendchen, eine Minute von unserem Guesthouse entfernt
 und deshalb leicht wieder zu finden.

leckere Lassi 





Nicht nur in den Gassen ist viel los, auch an den Ghats, auf den steinernen Stufen am Ganges, herrscht Hochbetrieb. Gläubige Hindus führen ihre Waschungen durch, Familien picknicken, Frauen machen ihre Wäsche, aufdringliche Herren versuchen Boote, Restaurants oder sich selbst als Guide zu verkaufen und überall wimmelt es -wie in den Gassen- von Kühen und Hunden. 

























DELHI

Am Ende führt uns unsere Rundreise durchs Land zurück in die Stadt, die wir von allen Indiens bisher am schnellsten wieder verlassen wollten. Nach sechs Wochen kommt sie uns aber lange nicht mehr so erschreckend und unberechenbar vor, wie am Anfang und der Main Bazar, der uns so schockiert hatte ist regelrecht langweilig. 
Gefallen tut es uns hier ehrlich gesagt aber trotzdem nicht. 






In Delhi passiert noch etwas, was wir bisher in Indien noch nicht erlebt haben:
Es regnet. Aber so richtig. Wer haette gedacht, dass die Strassen noch dreckiger werden koennen, alles ist voller Schlamm und Matsch und auch die Verkaeufer sind nicht mehr so gut gelaunt wie zuvor.









Wir sind insgesamt nochmal sechs Tage hier, die wir aber abwechselnd auf den verschiedenen Ämtern und im Hotelzimmer verbringen, weil es uns nacheinander erwischt und wir teilweise mit Fieber im Bett liegen...
Am Ende geht aber zumindest die Passwiederbeschaffung erstaunlich schnell und unser neues Philippinenvisum, das uns am meisten Kopfzerbrechen bereitet hatte, bekommen wir sogar innerhalb eines Tages. Am umständlichsten ist unerwarteterweise das Exit Permit, das wir von den indischen Behörden brauchen, damit man uns überhaupt wieder aus dem Land lässt, unser indisches Visum ist ja schließlich auch weg. Die Erfahrungen mit dem indischen Amtsapparat sind schwer zu beschreiben, hier sei aber allen der Film von Asterix und Obelix empfohlen, wo sie im "Haus, das Verrückte macht" versuchen, den Passierschein A38 zu bekommen... 

Nun haben wir aber endlich wieder neue Pässe mit allen erfordelichen Stempeln und Klebern und machen uns so schnell wie möglich auf zur Grenze, damit wir wenigstens noch fünf Tage lang Nepal erleben können, bevor am 22.02 unser Flug geht. 
Das hätten wir uns noch vor einer Woche nicht träumen lassen, wir hatten schließlich schon Angst um unsere komplette Philippinenreise, die wir ohne neues Visum hätten vergessen können.